. . . es ist nicht nur ein knoten, der in meinem kopf steckt.
es sind unendlich viele knoten.
erinnerungen, gefühle, wahrnehmungen, morgens, mittags, abends, nachts, bei wind, bei sonne, bei regen, bei blitz und donner.
alles, ein ganzes leben, mein eigenes und die gemeinsame lebenszeit mit anderen verstorbenen seelen, alles hat knoten im kopf hinterlassen.
bis jetzt hatte ich immer die chance das im kopf zu sortieren.
diese chance fehlt mir diesmal.
es ist die erkenntnis dass die endlichkeit unendlich sein wird.
selbst wenn man uns einbalsamiert und trickreich begräbt – so bleibt es doch die unendlichkeit des nicht wieder wach werdens, des nicht mehr denken und fühlen können. nie wieder die sonne aufgehen sehen, nie wieder die Vögel zwitschern, wundervolle Musik hören können . . .
deshalb tat er mir ja so unendlich leid mit seiner taubheit. – sie hat ihn wirklich schwer behindert in seinen tagesabläufen.
Fotos bringen erninnerungen zurück- aber nur solange diese erinnerungen auch an einer stelle ankommen die etwas damit verbinden kann.
ich erinnere mich dass ich die alten Fotoalben meiner mama lange jahre aufgehoben habe. sie hatte ja eine groß-verwandtschaft an tanten und cousinen und cousins. leider waren die bilder nicht beschriftet und so sagten sie mir nichts. ich wußte nicht einmal welches eines mein urgroßmutter war.
so habe ich die alben dann zu beginn (2011) meiner Wohnungsentrümpelung schweren herzens weggeworfen. 27 jahre aufgehoben und doch nie angeguckt. bilder die mir nichts sagten. menschen ohne namen.
einige erkannte ich, weil ich sie als kind noch vor dem mauerbau kennen lernte, meist zum geburtstag meiner Oma.
die väterliche groß-familienseite, ebenfalls aus tanten, cousins und cousinen bestehend, kannte ich besser. wir hatten in meiner kindheit kontakt mit ihnen. sie waren ja auch alle bei uns in West Berlin.
und jetzt stelle ich fest, dass ich mit den vielen Bildern vom Schatziputzi einserseits sehr froh bin, sie zu haben, aber ich bemerke auch, dass sie mich hindern, loslassen zu können.
diese fotos haben eine art immerwährende lebendigkeit, obwohl es ihn nicht mehr bei uns gibt, ist es doch so, als wäre er hier.
nicht gefühlt, nicht wirklich gedacht, aber eine merkwürdige art von präsenz.
vlt wird das alles klarer im kopf, beruhigter in der seele, wenn das Trauerjahr um ist und ich einmal alle bilder dem Tagesdatum zugeordnet haben werde . . .
Liebe Carola,
ich vermute auch, dass Dir dieser Blog bei der Trauerbewältigung eine gute emotionale Hilfe sein kann. Aber so tragisch wie es ist – vielleicht ist es sogar gut, dass die Ratten Dich zu einem Neuanfang im Gärtchen verdonnern. sonst gäbe es bei jedem Blick immer wieder diesen Verlustschmerz. Wenn Du soweit bist, kann gern wein Teil vom grün-weißen Schatziputzi-Gras zu dir zurückreisen. Zunächst wollte es hier nichts werden, aber nun wächst & gedeiht es in Allegras Grasbar vor der Tür. Nur im Gegensatz zu Bibi – unserem ersten Kater, knabbern Maus, Allegra & Cäsar bisher drum herum. Aber es ist so eine schöne Erinnerung an einen sehr charaktervollen Berliner Dachgartenkater …
LG Silke
Silke,
dieses jahr ist nicht extra wichtig – es ist nur so, dass im laufe dieses ersten jahres alle dinge ein erstes mal ohne ihn passieren. wir beide haben nun mal den ganzen tag intensiv zusammen verbracht. und in den letzten fünf jahren fast ohne jede unterbrechung.
und jetzt passert hier alles ohne ihn, ohne seine speziellen kommentare . . .
ja, ich werde den blog weiterführen, weil ich auch noch über die beiden anderen schreiben will und auch über diverse Familientiere.
grüße auch an die grauen damen
carola
Warum ist Dir dieses Jahr so wichtig?
Ich denke noch oft an Herrn Katze – auch ohne Bilder. Zwar war es nach genau einem Jahr ein merkwürdiges Gefühl, da sein letzter Tag so intensiv und voll gemischter Gefühle war. Aber die Erinnerung kommt und geht jederzeit. Mal ist es ein Foto, dann die kleine schlafende Dekokatze bei meiner Mutter, der Liegestuhl auf dem er in seinem letzten Sommer so gern lag … In Gedanken ist er oft bei mir – auch wenn es jetzt schon 6 Jahre her ist, dass ich leider das ok für die Langzeit-Cortison-Spritze gab und unwissentlich wohl damit seinem Todesurteil zustimmte. Aber trotzdem hatten wir über 16 Jahre eine schöne, lange und teilweise sogar sehr intensive gemeinsame Zeit, an die ich mich gern zurückerinnere. Und da er als Freigänger jederzeit andere Wege hätte einschlagen können, hat ihm sein Leben – so wie es war – wohl auch gefallen.
Ich hoffe, Du kannst bald loslassen und führst sporadisch ohne diese Jahresgrenze Deine Erinnerungen hier fort …
Liebe Grüße
Silke